Interviews
Grosser Einsatz für libanesische Tiere
Von Cemil Baysal
Über den Libanon gab es in den letzten Jahren meist nur negative Berichte – etwa wegen des Bürgerkriegs, oder der Wirtschaftskrise und kürzlich aufgrund der verheerenden Explosion im Hafen der Hauptstadt Beirut… Doch nicht alles ist schlecht: Tierschützerin Nina Asseily kümmert mit sich viel Herzblut um die heimatlosen Tiere des Landes.
Obwohl das Land am Mittelmeer neben all den schlechten Nachrichten so viel zu bieten hat wie Kulturgeschichte, landschaftliche Schönheit und eine weltbekannte Küchehaben nur wenige den Libanon besucht. Eigentlich bedauernswert, findet die deutsche Tierschützerin Nina Asseily. 2008 hat sie ihren libanesischen Mann im Investment-Banking kennengelernt und reiste seither jedes Jahr mehrfach in die Hauptstadt Beirut, um Familie und Freunde zu besuchen und einfach das Leben zu geniessen. Denn das können die Libanesen, vielleicht sogar besser als die Schweizer. Nina begründet dies mit einem persönlichen Beispiel: „Letztes Wochenende war ich hier in der Schweiz wandern, das Wetter war super, viele Wanderer kamen mit ihren teuren Autos aus ihren schönen Wohnungen mit sauberem Trinkwasser und Strom – und sie waren trotzdem mürrisch. Drei Mal wurden wir zurechtgewiesen, wir sollen doch unsere Hunde anleinen, die sich sehr gut benommen haben. Im Libanon geht es den Menschen um einiges schlechter, besonders nach den letzten 12 Monaten und der Explosion Anfang August, viele haben noch nicht mal mehr Fensterscheiben, geschweige denn eine Wohnung, und dennoch sind sie insgesamt glücklicher. Es stimmt mich nachdenklich, dass wir uns unseres Glücks hier nicht ausreichend bewusst sind.“
Nach vielen schönen Urlauben im Libanon hat Nina angefangen, als Freiwillige bei der ortsansässigen Tierschutzorganisation BETA mitzuhelfen. Dazu sagt sie: „Ursprünglich hatte ich BWL studiert und habe dann über 10 Jahre im Banking gearbeitet – ich hatte keine Ahnung von Tierschutz und habe schnell gemerkt, dass ich vor Ort nur wenig bewegen kann, denn mir fehlten Wissen, aber auch die Mittel, um die Arbeit von Beta effizient zu unterstützen.“ Auf der Suche nach Fachwissen hat Nina Unterstützung bei der Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz gefunden. Sie gab ihren Job als Bankerin auf und arbeitete ein knappes Jahr ehrenamtlich in der Stiftung, um mehr über das Thema Tierschutz zu lernen und um Tipps speziell für ihre Arbeit im Libanon zu erhalten. Schliesslich empfahl ihr Utzinger, einen Verein zu gründen.
2018 war es dann soweit und „Nina Asseily – Verein für Tierschutz“ war ins Leben gerufen. Die grossen Projekte liessen nicht auf sich warten; das Hundetierheim, das derzeit gut 850 Hunde fasst, hatte einen Räumungsbescheid erhalten und nachdem endlich 2019 die Baugenehmigung für ein neues Tierheimerteilt wurde, versucht Nina in Teamarbeit mit Beta die Mittel für dieses Projekt zu sammeln. Insgesamt befinden sich über 1100 Tiere (850 Hunde, 250 Katzen, 3 Pferde, 1 Esel, 2 Affen, Schildkröten und Hasen) in ihrer Obhut. Aber die Zeiten haben sich geändert, erzählt Nina. „Beta und wir sind vollständig von Spenden finanziert und wegen der katastrophalen Lage vor Ort sind die libanesischen Spender vollständig weggebrochen. Es ist nicht nur der Tierheimbau, sondern auch der Unterhalt der über 1100 Tiere sowie seit der Explosion noch etwa zusätzlich die überlebenden 80 Hunde und 20 Katzen in dem Hafenareal Beiruts, um die wir uns kümmern. Wir sind mehr denn je auf die Unterstützung aus dem Ausland, besonders der Schweiz, angewiesen. Das ist nicht immer leicht, denn viele Tierfreunde spenden lieber für Projekte in Ländern wie Spanien oder Griechenland, zu denen sie einen Bezug haben.“ Zu anderen Vereinen gibt es laut Nina folgenden Unterschied: „Ich habe das grosse Glück, dass mein Mann nicht nur den Verein mit mir gegründet hat, sondern dass er mir ermöglicht, ehrenamtlich zu arbeiten. So werden keine Gelder für Gehälter, Mieten oder ähnliches verwendet und 100 Prozent der Spenden werden direkt für die Tiere ausgegeben. Meist begleichen wir mit den Spenden Rechnungen für Futter, von Tierärzten, der Baufirma oder auch mal Medikamente und Materialkosten. Wir handhaben das alles vollständig transparent und legen jedem Spender ans Herz, so viele Fragen zu stellen, bis er oder sie ein gutes Gefühl hat.“
Ausserdem sammelt Nina derzeit noch finanzielle Mittel, um etwa 30 Hunden eine Vermittlung über Partnerorganisationen in Kanada zu ermöglichen. „Der Shelter platzt aus allen Nähten, im Libanon sind die Adoptionsraten trotz unserer Aufklärungsarbeit tief und ich kann keine professionelle Vermittlung in der Schweiz anbieten, deswegen ist es super, dass Beta langjährige Beziehungen zu einigen kanadischen Organisationen aufgebaut hat, die über ein Netzwerk an Pflegestellen verfügen und so eine professionelle Vermittlung und Betreuung der Hunde ermöglichen können. Die Reisekosten hierfür übernehmen wir, mit etwa 500 Franken pro Hund sind sie recht hoch, andererseits schenkt man jedem einzelnen damit ein neues Leben. Viele der Hunde haben furchtbare Schicksale hinter sich, einige sind voller Schrotkugeln, andere sind Autounfällen zum Opfer gefallen. Wenn wir dann später die Hunde in ihrem neuen Zuhause kaum wiedererkennen und lebensfroh und glücklich sehen, relativiert es nicht nur den Aufwand, sondern es motiviert uns auch, weiterzumachen!“
Wenn ihr mehr Informationen über Ninas Arbeit haben möchtet, folgt ihr auf Instagram @nina_asseily oder schaut auf www.ninaasseily.ch